Nach dem Verkehrsunfall aufgepasst!

In Zeiten hohen Verkehrsaufkommens kracht es auf Europas Straßen häufig. Bei der anschließenden Unfallschadensregulierung findet sich häufig folgende Situation wieder: Die Haftpflichtversicherung des einen Unfallbeteiligten heftet sich in Windeseile an die Fersen des am Unfallgeschehen vermeintlich unschuldigen Geschädigten, noch bevor dieser eine aktive Verfolgung seiner rechtlichen Interessen in die Wege geleitet hat, geschweige denn, sich anwaltlich hat beraten lassen. Der Geschädigte bekommt also in kürzester Zeit einen regulierungsbereiten Ansprechpartner in Form der gegnerischen Haftpflichtversicherung serviert. Bei entsprechend klaren Haftungsverhältnissen locken die Versicherer dann mit Versprechungen wie "schnelle, unkomplizierte Schadensregulierung", o. ä. Zugleich überrumpeln sie den Geschädigten mit Angeboten über beispielsweise "günstige Mietwagen" und vermeintlich lukrative Schadensersatzangebote. Dabei bemühen sich die Versicherungen mitunter sogar, dem Geschädigten das Gefühl von Geborgenheit und Vertrauen zu vermitteln, indem der Geschädigte als "Schadenspartner" bezeichnet wird. In Fachkreisen spricht man vom sog. "Schadensmanagement" der Versicherer.

Der Geschädigte übersieht dabei in der für ihn ungewohnten Situation leicht eine wichtige Tatsache ist: es handelt sich um den Unfallgegner bzw. dessen Versicherung! Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners verfolgt gänzlich andere Ziele, nämlich vor allem ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Mit dieser Zielrichtung soll der Geschädigte häufig zu einem bestimmten Verhalten manipuliert werden. Deshalb ist größte Vorsicht geboten bei einer solchen Regulierungspraxis. Der Geschädigte sollte sich auf keinen Fall in Sicherheit wiegen und darauf bauen, dass nun seine Ansprüche schon voll befriedigt würden. Der Geschädigte kennt in der Regel seine Ansprüche bis dahin ja noch gar nicht.

Im übrigen sind je nach Fallgestaltung unterschiedliche Varianten der Schadensabrechnung denkbar. Nach einem Unfall ergeben sich für den Geschädigten oft sehr viele Detailfragen (z. B. Soll das Fahrzeug repariert werden oder ist eine Veräußerung günstiger? Erfolgt die Erstattung des Ersatzbetrags brutto oder netto? Besteht Anspruch auf ein Mietfahrzeug? Liegt eine Wertminderung vor? Muss man einen Sachverständigen der gegnerischen Versicherung akzeptieren oder besteht ein Recht auf freie Auswahl des Sachverständigen?, u. v. m.). Die Beantwortung solcher und vieler anderer auftauchender Fragen setzt aktuelle und verlässliche Rechtskenntnisse im Verkehrsrecht voraus.

Als ersatzfähige Schadenspositionen nach einem Verkehrsunfall können beispielsweise in Betracht kommen:

  • Reparaturkosten
  • Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs bei Totalschaden
  • Sachverständigenkosten
  • Ersatz der unfallbedingten Wertminderung
  • Ab- und Ummeldekosten
  • Mietwagenkosten (oder Nutzungsausfallentschädigung)
  • Abschlepp- /Entsorgungskosten
  • Umbaukosten
  • Fahrtkosten
  • Allgemeine Kostenpauschale
  • Kleiderschaden
  • Transportschäden (Schäden an mitgeführten Gegenständen)
  • Verlust des Schadensfreiheitsrabatts in der Kaskoversicherung
  • Zinsen
  • Schmerzensgeld
  • Kosten einer Haushaltshilfe / Haushaltsführungsschaden
  • Verdienstausfall
  • Unterhaltsausfall
  • Anwaltskosten
  • u.v.m.

Der zahlungspflichtige Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung belehren den Geschädigten freilich nicht umfassend über seine Rechte, insbesondere sein Recht auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. Gerade die Einschaltung eines Rechtsanwalts durch den Geschädigten soll ja aus Sicht des Gegners vermieden werden. Daher fallen nicht selten mangels ausreichender Aufklärung des Geschädigten über seine Ansprüche einzelne oder gar viele Schadenspositionen unter den Tisch.

Und es kann sogar noch dicker kommen. Nicht selten zeigt sich im Laufe der Regulierungstätigkeit, dass der vermeintlich unschuldige Geschädigte doch nicht ganz unschuldig am Unfallgeschehen war oder, weil er den Unfall hätte vermeiden können, zu einer bestimmten Quote bzw. aus der "Betriebsgefahr" mithaftet. Dahingehende Anhaltspunkte können sich beispielsweise aus der polizeilichen Ermittlungsakte ergeben. Manchmal meldet sich später noch ein Zeuge oder aber der Unfallgegner selbst gibt plötzlich eine ganz andere Unfallschilderung ab. Spätestens dann wird die gegnerische Haftpflichtversicherung zu Lasten des anderen Unfallbeteiligten den sogenannten "Mithaftungseinwand" erheben und allenfalls teilweise Schadensersatz leisten. Wer sich als Geschädigter erst dann anwaltlicher Hilfe bedient, muss oft feststellen, dass wertvolle Zeit verschwendet wurde, wichtige Beweise nicht gesichert wurden, der Unfallhergang nicht mehr so gut rekonstruiert werden kann und sich möglicherweise nicht jeder Anwalt bereit erklärt, einen derart  ungünstig eingeleiteten, halb regulierten Fall, zu übernehmen.

Übrigens ist auch die zunehmend vorzufindende und für den Geschädigten scheinbar bequeme Schadensregulierung durch Reparaturwerkstätten, Mietwagenunternehmen und andere Betriebe äußerst problematisch. Diese dürfen nämlich eine umfassende Unfallregulierung für den Geschädigten gar nicht betreiben, weil dies in der Regel eine unerlaubte Rechtsberatung darstellt. Dennoch regulierende Autohäuser bzw. Betriebe riskieren ein hohes Bußgeld pro Verstoß.

Aber auch für den Geschädigten selbst besteht in diesem Fall die Gefahr, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt zu werden und nicht alles ersetzt zu bekommen. Die Werkstätten beschäftigen in aller Regel keine Juristen und können deshalb nur laienhaft tätig sein. Die umfassende Beratung und Vertretung nach einem Verkehrsunfall setzt aber die zuverlässige Kenntnis der jeweils aktuellen Rechtslage voraus. Hinzu kommt, dass gerade zum Schadensersatzrecht in jüngerer Zeit sehr viel neue Rechtsprechung ergangen ist, insbesondere zu verschiedenen Formen der Schadensabrechnung und zur Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs. Ein Streit ist daher oft vorhersehbar.

Der Geschädigte sollte daher die Weichen im eigenen Interesse frühzeitig richtig stellen und einen im Verkehrsrecht erfahrenen Anwalt, idealerweise einen Fachanwalt für Verkehrsrecht,  hinzuziehen. Der Rechtsanwalt ist allein den Interessen seines Mandanten verpflichtet. Dadurch ist sichergestellt, dass die Schadensregulierung nicht fremdbestimmt und unter Umgehung der Ansprüche des Geschädigten abläuft. Der Anwalt wird zentrale Schnittstelle der Schadensregulierung. Er überwacht die Wahrung der Interessen des Geschädigten und kann zügig reagieren, wenn es Probleme gibt.

Soweit der Unfallgegner haftet, hat dessen Haftpflichtversicherung in der Regel auch die Kosten des Rechtsanwalts des Unfallgeschädigten zu ersetzen. Bei einem allein fremdverschuldeten Unfall muss der Geschädigte also durch die Haftpflichtversicherung des Schädigers von allen Anwaltskosten freigestellt werden.


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